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Im Universum der Rebsorten ist Riesling ein Ausnahmetalent: Seine Fähigkeiten, unterschiedliches Terroir auszudrücken und sich mit wachsendem Alter zu verbessern, machen den Herrscher über die deutschen Weinberge zum wahrscheinlich edelsten Weißwein der Welt. Unser Artikel erklärt das Interessanteste rund um die Nobel-Rebsorte.

Rebsorte Riesling: Spannende Fakten

Riesling ist nicht gleich Riesling: Über 80 verschiedene Klone der Varietät existieren in ihrem Heimatland. Gepaart mit einer schier unmessbaren Varietät an Böden, Klimabedingungen und verschiedenen Stilen vom leichten Kabinett bis zum majestätischen Eiswein, bildet die Sorte ein eigenes Biotop innerhalb der Weinwelt. Ein gesamtes Leben reiner Riesling-Erkundung würde nicht ausreichen, um die komplette Vielfalt der Rebsorte zu ergründen.

Ihr markanter, von frischer Säure und intensiver Frucht geprägter Charakter hebt die Varietät vom Gros aller übrigen Reben ab, bereitet so manchem Weintrinker aber Schwierigkeiten. Vor allem junger Riesling kann mit seiner herben, kargen Stilistik anecken und besitzt nicht die sanfte Zugänglichkeit eines Weißburgunders oder Chardonnays.

Das ändert sich im Alter: Wenn die meisten Rebsorten schon längst ihren Zenit überschritten haben, reift der Riesling noch Jahrzehnte, manchmal sogar Jahrhunderte entspannt vor sich hin. Diese Eigenschaften begründen sein enormes Ansehen in der gehobenen Weinszene, das bereits vor über 100 Jahren vorherrschte. Für Rheingauer Riesling bezahlte die Londoner Elite, die ihn “Hock” nannte, um 1900 höhere Preise im Vergleich zu den größten Gewächsen des Médoc. Generell ist die Rebsorte mit Rekorden assoziiert:

  • Ältester Riesling: Im Rheingauer Schloss Johannisberg, seit 1720 als reines Riesling-Weingut etabliert, lagert die wohl älteste Flasche der Welt aus dem Jahr 1748. Genießbar ist sie höchstwahrscheinlich nicht mehr – im Gegensatz zu “jüngeren” Flaschen aus dem 19. Jahrhundert.
  • Steilste Riesling-Lage: Die Rebsorte liebt Steillagen – und kommt an der Terrassenmosel voll auf ihre Kosten. Bis zu 68 Grad (248 Prozent!) Neigung genießt sie auf dem steilsten Weinberg Europas, dem Bremmer Calmont.
  • Teuerster Riesling: 12.000 Euro plus Gebühren erzielte die 2003er Scharzhofberger Riesling Trockenbeerenauslese des Saar-Winzers Egon Müller auf einer Auktion im Jahr 2015.

Für wen ist Riesling interessant?

Für neue Weininteressierte zählt Riesling zu den wichtigsten Rebsorten der Welt. Ihre Fähigkeit, verschiedene Böden, Regionen und Altersstufen sehr deutlich im Glas zu repräsentieren, macht die Varietät zum idealen “Lernmaterial” für Enthusiasten aller Erfahrungsgrade. Jeder, der sich ernsthaft mit Wein beschäftigt, muss die Rebsorte kennen.

Aromen und Charakter

Seine intensive Säure stellt den prägnantesten Gesichtszug des Rieslings dar und wird von einem relativ niedrigen Alkoholgehalt sowie typischerweise einem leichten Körper begleitet. Die Aromen der Weißwein-Königin variieren mit der Temperatur: Während kühlere Anbauregionen wie beispielsweise die Mosel für Zitrone, Limette und frischen Apfel stehen, finden Sie in wärmeren Regionen wie Baden vermehrt Steinfrucht-Aromen (z.B. Pfirsich).

Zudem können mineralische Züge, etwa von Schieferböden, einen bestimmenden Anteil des Geschmacks ausmachen. Tropische Aromen finden sich oftmals in süßen Varianten.

Im Alter treten die fruchtigen Primäraromen in den Hintergrund. Sekundäraromen von Eiche oder Hefe sind selten vorzufinden, stattdessen läutet der Riesling seine Tertiärphase mit einem unter allen Weinsorten hervorstechenden Geschmack ein: Der sogenannten Petrolnote, die an Benzin und Öl erinnert. Begleitet wird sie von Honig, Nüssen und getrockneten Früchten.

Ursprung und Eigenschaften: Riesling im Porträt

Riesling ist eine traditionelle Rebsorte, die hohe Ansprüche an ihre Umgebung stellt und diverse Stile hervorbringt.

Geschichte und Herkunft

Riesling ist eine natürliche Kreuzung aus der Mutterrebe Heunisch und einer Vaterrebe, die ihrerseits des Traminers und einer Wildrebe entstammt. Das Ursprungsgebiet liegt am Oberrhein.

In Deutschland ist die Varietät seit rund 600 Jahren dokumentiert; der Name “Riesling” wurde erstmal im Jahr 1435 schriftlich erwähnt. Offiziell als “Weißer Riesling” bezeichnet, international als “Rheinriesling” populär und in Teilen Badens als “Klingelberger” deklariert, darf er nicht mit einer völlig anderen Rebsorte, dem Welschriesling, verwechselt werden.

Zunächst konnte sich Riesling auf deutschem Boden aufgrund seiner niedrigen Erträge nur schleppend etablieren. 1720 dann der Durchbruch: Nachdem das Schloss Johannisberg hohe Bestände pflanzen ließ, stieg die Berühmtheit sprunghaft an. 1787 verfügte der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachen, in seinem Gebiet dürfe ausschließlich Riesling angebaut werden – die Geburtsstunde der Mosel als Riesling-Zentrum.

Im Weinberg

Hartes Holz, hohe Robustheit: Wie kaum eine andere Rebsorte ist Riesling an kühles Klima angepasst und überlebt selbst harte Winter. Unter diesen kälteren Temperaturen entfaltet er seine höchste Qualität. Spät austreibend, birgt er eine niedrige Gefahr von Spätfrösten, verlangt im Gegenzug aber optimale Lagen und hochwertige Böden, um sein volles Potenzial zu entfalten. Allen voran Steillagen, kombiniert mit den gut durchlässigen und wärmespeichernden Schieferböden, sind die absoluten Klassiker.

Wie insbesondere das Elsass demonstriert, kann Riesling jedoch auf einer Vielzahl anderer Böden gedeihen und neigt dazu, seinen Grund spürbar im Glas zu differenzieren. Stichwort Boden: Wussten Sie, dass Riesling unter anderem an der Mosel noch teilweise auf wurzelechten Reben wächst? Die dortigen Schieferböden liefern keinen sonderlich interessanten Bedingungen für die Reblaus.

Wichtig zu erwähnen ist die Anfälligkeit des Rieslings für die Edelfäule Botrytis. Während andere Rebsorten wie beispielsweise Spätburgunder unter ihrem Einfluss krepieren, verhilft sie dem König der Weißweine zu legendären Süßweinspezialitäten wie der Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese. Die berühmte Spätlese benötigt keine Edelfäule, sondern erhält ihren reichhaltigen Charakter durch eine längere Reife am Rebstock.

Im Keller

Reduktiver Ausbau im Stahltank ist beim Riesling das Maß aller Dinge. Von Deutschland entscheidend vorangetrieben, ermöglicht diese “saubere” Weinbereitung die Erhaltung der Frische und findet eine enorme Verbreitung beim Riesling. Holzeinsatz, Hefelager und Co. kommen nur vereinzelt zum Einsatz. Ebenso selten ist die Integration in Cuvées – Riesling wird fast ausschließlich sortenrein verarbeitet (von Ausnahmen im Elsass abgesehen).

Das Spektrum verwendeter Hefen ist groß; während in hochwertigen Weinen tendenziell wilde Hefen zum Einsatz kommen, begnügt sich die Mehrzahl der Tropfen mit kultivierten Pendants. Noch vielfältiger ist die Bandbreite an Geschmacksrichtungen: Von staubtrockenen GGs bis zum extrem süßen Eiswein, der manchmal sogar den gesetzlichen Mindestalkoholgehalt unterschreitet, eröffnet die Rebsorte größtmögliche Freiheit im Ausbau.

Riesling: Wichtigste Anbaugebiete und ihre Weinstile

Das mit großem Abstand wichtigste, jedoch nicht das einzige Riesling-Land der Welt ist Deutschland. Das Elsass, Österreich, Australien und die USA verfügen ebenfalls über signifikante Bestände.

Deutschland: Aushängeschild der Weinkultur

Rund 23.000 Hektar, knapp ein Viertel der Rebfläche, sind in Deutschland mit Riesling bestockt. Die führende Rebsorte der Bundesrepublik kennt entlang der 13 Qualitätsanbaugebiete unzählige Ausprägungen und regionale Besonderheiten, die sich von erfahrenen Kennern ebenso erschmecken lassen wie von Neulingen.

Den wohl markantesten Weinstil unter allen Anbaugebieten bringt die Mosel mitsamt ihrer Nebenflüsse Saar und Ruwer hervor. An den steilen Hängen ist der Anbau anspruchsvoll, zahlt sich aber aus: Leicht, erfrischend, knackig und rassig, stehen Rieslinge der Region für mineralische (Schiefer-)Noten und bedienen häufiger als anderswo restsüße Vorlieben. Viele der teuersten Prädikate Deutschlands, insbesondere die Trockenbeerenauslesen von Molitor, Prüm und Egon Müller, entstehen an der Mosel.

Die Pfalz ist der größte Riesling-Produzent Deutschlands und der gesamten Welt. Vor allem im nördlichen Abschnitt der Region, an der Mittelhaardt, ist die Rebsorte führend und entfaltet im Gegensatz zur Mosel einen vollmundigeren Power-Stil mit satter Frucht, höherem Alkohol und fast immer trockenem Ausbau. Man schmeckt die Sonne der Pfalz förmlich. Sandstein- und Vulkanböden geben den Ton an.

Geographisch und stilistisch zwischen Mosel und Pfalz liegt der Rheingau, berühmt für die besondere Balance und Finesse seines Rieslings. Meist stählern und mineralisch geprägt, spiegelt er zwischen Wiesbaden und Rüdesheim die Unterschiede zwischen selbst benachbarten Weinbergen in der wohl größten Präzision Deutschlands wider. Obwohl trockene Stile dominieren, kann Rheingau-Riesling ebenso halbtrocken und in guten Jahrgängen edelsüß auftreten. Monumentale Erzeuger wie Schloss Johannisberg, Kloster Eberbach oder Schloss Vollrads thronen über der Rheinlandschaft.

Jedes Anbaugebiet produziert hierzulande herausragenden Riesling. Von der Nahe, einer wahren Schatzkiste für Spitzen-Riesling und einem Liebling von Weinkennern, bis hin zu Württemberg, wo Sie vielmehr Trollinger und Lemberger erwarten würden, erstreckt sich eine endlose Entdeckungsreise.

Frankreich: Elsass

Im Schatten der Vogesen gilt Riesling als edelste Rebsorte und wird auf rund 3.500 Hektar angebaut. Obwohl ein Gros der Produktion trocken ausfällt, was für standardmäßigen Elsass-Riesling sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, finden Sie vor allem auf dem Level der Grand Cru Lagen hochwertige Stile mit Restsüße. Analog zu Deutschland, stehen an der Spitzenposition von Preis und Rarität die edelsüßen Qualitäten, dort “Vendange Tardive” und “Sélection de Grains Nobles” genannt. Eine Besonderheit der Region ist, dass Riesling teilweise mit anderen Sorten zu Cuvées verschnitten wird.

Österreich: Wachau

Mit der Alpenrepublik spielt ein zweites Nachbarland in der oberen Liga der Riesling-Produzenten. Insgesamt 2.000 Hektar nimmt die Rebsorte in Österreich ein. Allen voran die Wachau, primäre Hochburg des Grünen Veltliners, erzeugt neben ihrer Leitsorte außerordentlich guten Riesling von trocken bis edelsüß. Von seiner Langlebigkeit verliert die Königin der Weißweinsorten beim Grenzübertritt nichts, gewinnt dafür aber an Power: Wachau-Riesling, allen voran der große Smaragd, überzeugt Connaisseurs mit einer enormen Fülle, Konzentration und Komplexität. Eine wichtige Erfahrung für jeden Riesling-Liebhaber!

Neue Welt: Australien, USA, Neuseeland

Wer Riesling aus völlig anderen Erdteilen probieren möchte, sollte insbesondere die Teilregionen Clare Valley und Eden Valley in Australien anpeilen. Dort entdecken Sie einen wärmeren, von Steinobst und tropischen Früchten geprägten Riesling-Stil im Vergleich zu Deutschland. Der Ruf ist exzellent, die globale Nachfrage steigend. Auch im nahegelegenen Neuseeland verzeichnet die Rebsorte im Schatten des Sauvignon Blanc Erfolge.

Hierzulande unbekannt, aber sehr erfolgreich in der Riesling-Herstellung ist Nordamerika. Während Kanada legendäre Eisweine produziert, dominieren rund um die Finger Lakes im Bundesstaat New York sowie im Bundesstatt Washington trockene Stile.

Ratgeber: Riesling Weine entdecken

Im Angesicht seiner stilistischen Vielfalt erscheint die Entdeckung des Rieslings als komplexes Unterfangen. Welchen Aspekt der Rebsorte sollten Sie zuerst erkunden?

Wo sollte man anfangen?

Wir empfehlen, die Reise ins Riesling-Universum mit der Gegenüberstellung verschiedener Regionen zu beginnen. Gute Ortsweine im Bereich von 10 bis 20 Euro sind hierfür völlig ausreichend. Öffnen Sie einen typischen Steillagen-Riesling der Mosel vom Schieferboden und beschnuppern Sie die Unterschiede zu einem Pfälzer Riesling von der Mittelhaardt. Soll es tiefer ins Detail gehen, beispielsweise durch die Identifizierung unterschiedlicher Böden, eignet sich der Rheingau erstklassig.

Hat man einmal Blut geleckt, wird ein Abkommen vom Riesling nahezu unmöglich und es steigt der Drang, die obersten Qualitäten zu probieren. Orientieren Sie sich an der Klassifikation des VDP, um gemeinsam mit Freunden und anderen Wein-Enthusiasten Große Gewächse von den besten Lagen Deutschlands zu genießen. Die Unterschiede zu “gewöhnlichem” Wein können brachial sein.

Neben regionalen und qualitativen Unterschieden bringt Riesling eine dritte Dimension besonders zum Ausdruck: Das Alter. Extrem bereichernd können sogenannte Vertikal-Verkostungen sein, in denen man die Weine desselben Gutes aus unterschiedlichen Jahrgängen probiert. In Deutschland, speziell in den Anbaugebieten selbst, haben Sie vor allem im Sommer und Herbst das Glück einer großen Veranstaltungsauswahl (z.B. Verkostungen).

Alter und Trinkreife

Die Alterungsfähigkeit des Rieslings hängt stärker als bei anderen Rebsorten von seinem Jahrgang ab. Weitere altersfördernde Faktoren sind ein hoher Zuckergehalt bei Prädikaten, besondere Lagen und eine hochwertige Weinbereitung durch den Winzer. Allgemeine Zeitrahmen sind schwer zu definieren: Viele Gewächse erreichen ihren Höhepunkt nach 10 bis 20 Jahren, andere halten problemlos das Doppelte aus und wiederum andere schmecken zwei Jahre nach Abfüllung am besten. Ziehen Sie Erfahrungswerte des jeweiligen Erzeugers heran, um ein Gefühl für den idealen Reifezeitraum zu bekommen.

Riesling zum Essen

Manche Experten halten den Riesling für einen grandiosen, andere für einen denkbar ungeeigneten Essensbegleiter. Oft steigt die Paarungsfähigkeit mit leichter Restsüße: Kabinett zu pikanten Gerichten aus Südostasien und Indien kann hervorragend funktionieren, vor allem Ente, Schwein und Meeresfrüchte sind beliebte Partner. Wichtig sind eine gewisse Power und Würze des Essens, weil zu milde Gerichte Gefahr laufen, in der kraftvollen Säure und Aromatik des Rieslings unterzugehen. Unbestritten sind seine Qualitäten zum Dessert: Auslesen und höhere Prädikate balancieren dessen Süße mit einer knackigen Säure, was wahrliche Perfektion am Gaumen hervorrufen kann.

Welche Rebsorten Sie noch interessieren könnten

Innerhalb der Weinwelt kennt Riesling nahezu keinen Vergleich, was die Empfehlung ähnlicher Rebsorten erschwert. Ein grandioser Geheimtipp für Liebhaber des trockenen Rieslings ist der griechische Assyrtiko: Auf der Insel Santorini seine höchsten Qualitäten erzeugend, balanciert er kräftige Säure mit einem durchschnittlich höheren Alkoholgehalt im Vergleich zum Riesling.

Wessen Herz die süßen Riesling-Ausprägungen erobert haben, der sollte einen Blick auf die ungarische Rebsorte Furmint und speziell die aus ihr hergestellten Tokajer-Süßweine werfen. Auch Sauvignon Blanc und Sémillon, die im Bordeaux zu den berühmten Süßweinen aus Sauternes und Barsac verarbeitet werden, werden leidenschaftlichen Eiswein- und Beerenauslesen-Trinkern große Momente bereiten.

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