Dark Light
Im Burgund geboren, in der Welt zuhause: Die wichtigste Weißwein-Rebsorte der Welt gedeiht in nahezu jedem Terroir und lässt sich wie keine andere nach den Vorstellungen des Winzers formen. Von Massenwein bis Montrachet, von Chablis bis Kalifornien eröffnen Chardonnay Weine eine immense Qualitäts- und Stilvielfalt, die jeder Weininteressierte kennen muss.

Rebsorte Chardonnay: Spannende Fakten

Kennen Sie das Kürzel ABC? In der Weinwelt steht es für “Anything But Chardonnay” und bezeichnet das fragwürdige Dogma einiger Weintrinker, die sich der internationalen Rebsorte prinzipiell entziehen. Am anderen Ende des Spektrums bezahlen Liebhaber für eine Flasche der legendären Grand-Cru-Lage “Le Montrachet” aus dem Hause Romanée-Conti über 10.000 Euro pro 750ml.

Wer hat nun Recht? Fakt ist, dass Chardonnay von allen für den Weinbau relevanten Weißwein-Rebsorten die weltweit größte Anbaufläche verzeichnet: Rund 200.000 Hektar, die doppelte Rebfläche Deutschlands, sind eine echte Hausnummer.

Was ABC-Trinker am Chardonnay hassen, betrachten seine Anhänger als große Stärke: Die geschmackliche Neutralität der Rebsorte, die ihr ermöglicht, mit größter Empfindlichkeit auf unterschiedliche Terroirs und Weinbereitungstechniken im Keller zu reagieren. Das schafft ambitionierten Winzern die Grundlage, um ihre ganz persönliche Handschrift ins Glas zu transportieren.

Andererseits eignet sich die Rebsorte aufgrund der geringen Ansprüche an ihre Umgebung zur Herstellung von Massenwein, der oftmals stark (industriell) manipuliert ist oder furchtbar langweilig schmeckt. Alles andere als langweilig sind folgende Fakten:

  • Von Schweden bis Marokko: Wussten Sie, dass Chardonnay in der Kälte Skandinaviens ebenso gedeiht wie in der Hitze Nordafrikas? Jeder Ort der Welt, an dem Wein angebaut wird, besitzt typischerweise auch Chardonnay-Bestände.
  • Gleichnamiges Dorf: Im Burgund existiert die 200-Einwohner-Gemeinde Chardonnay, die höchstwahrscheinlich Namensgeberin der Rebsorte ist. Übersetzt bedeutet das französische Wort “Chardon” übrigens “Disteln”.
  • Majestätische Legende: Karl der Große soll dem Chardonnay zu seiner Führungsrolle im Burgund verholfen haben. Auf Anordnung seiner Frau, die Rotwein-Flecken in seinem Bart nicht mehr ertragen konnte, ließ der König seinen Weinberg – die heutige Grand-Cru-Lage Corton-Charlemagne – fortan nur noch mit Chardonnay bestocken.

Für wen ist Chardonnay-Wein interessant?

Jeder, der in die Weinwelt eintauchen und sein Wissen vertiefen möchte, sollte mit Chardonnay vertraut sein – lesen Sie also unbedingt weiter. Wie keine andere Rebsorte eignet sich die Varietät als “Lernmaterial”, um verschiedene Einflüsse im Weinkeller von Holzausbau bis Maischestandzeit auf die finalen Produkte im Glas zu erforschen. Perfekt für Anfänger. Auch Differenzen zwischen Alter und Neuer Welt, unterschiedlichen Böden und Klimabedingungen kann die Rebsorte intensiv widerspiegeln.

Aromen und Charakter

Der typische Charakter des Chardonnays ist von zwei Seiten zu betrachten: Während er in kühleren Regionen ein schlankes Profil mit spürbarer Säure (jedoch nicht in der Stärke des Rieslings) hervorbringt und Geschmacksnoten von Apfel und Zitrus inkludiert, führt eine Erwärmung der Umgebung zu einem breiten, überschwänglichen Charme mit hohem Alkohol- und niedrigem Säuregehalt. Die Aromen schwenken dann ins Tropische: Pfirsich, Melone, Ananas und allgemein eine süßere Frucht-Komponente (die nichts mit Restsüße in Form von Zucker zu tun hat) prägen den Wein.

Typische Sekundäraromen, die infolge von Weinbereitungstechniken wie Holzausbau, Hefelagerung oder Batonnage (Aufrühren der Hefe) entstehen, sind Vanille, Brot und Butter mit spürbarem Schmelz. Alterungsfähige Weine entwickeln im Alter Tertiäraromen, die häufig an Haselnuss und Mandeln erinnern.

Ursprung und Eigenschaften: Die Chardonnay-Traube im Porträt

Die Wandlungsfähigkeit des Chardonnays ist nicht seine einzige spannende Eigenschaft. Auch historisch, im Weinberg und während der Weinbereitung hält die Rebsorte eine Fülle interessanter Merkmale bereit.

Geschichte und Herkunft

Chardonnay ist eine Kreuzung aus Pinot Noir und der uralten, heutzutage nur noch selten vorzufindenden Rebsorte Gouais blanc. Letztere zeichnete sich durch eine sehr hohe Paarungsaktivität aus und lieferte das Erbgut für viele moderne Varietäten.

DNA-Analysen legen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nahe, dass der Ursprung des Chardonnays im Burgund liegt. Erstmals im späten 17. Jahrhundert erwähnt, wurde die Rebe aufgrund ampelographischer Ähnlichkeiten (Ampelographie = Rebsortenkunde) lange mit dem verwandten Weißburgunder (Pinot blanc) verwechselt.

Seinen internationalen Siegeszug trat der Chardonnay in den 1980er-Jahren an, als Winzer der Neuen Welt die Varietät entdeckten und im Gegensatz zum traditionellen Burgund mit seinen Lagenbezeichnungen den Rebsortennamen auf die Flaschen-Etiketten druckten. Zur Jahrtausendwende setzte ein regelrechter Boom ein, der Chardonnay zur wohl bekanntesten Rebsorte der Welt machte.

Im Weinberg

Nicht nur auf nahezu jedem Boden kann Chardonnay anständige Qualitäten hervorbringen: Bezüglich des gesamten Terroirs von Wärme und Niederschlag bis Hanglage und Ausrichtung zeichnet sich die Sorte durch eine enorme Anpassungsfähigkeit aus.

Früh austreibend und reifend, besitzen die Pflanzen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Spätfrost im Frühling, der in der Heimat Chablis auf eine interessante Weise bekämpft wird: Winzer besprühen die Knospen mit Wasser, sodass sie von Eis umschlossen werden, welches Schutz vor dem noch kälterem Frost bietet. Auch Empfindlichkeit gegenüber Mehltau und Botrytis ist problematisch.

Die meisten Weinkenner sind davon überzeugt, dass Kalkstein den ideale Boden zum Anbau von Chardonnay-Trauben darstellt. Sowohl im Chablis als auch in den großen Lagen der Côte de Beaune bringt er legendäre, teils frische und mineralische Qualitäten mit hoher Alterungsfähigkeit hervor.

Beim Winzer

Wer aromatische Komplexität in die von Natur aus neutrale Rebsorte bringen möchte, nutzt verschiedene Weinbereitungstechniken. Beliebt beim Chardonnay ist die malolaktische Gärung, die durch die Umwandlung von Äpfel- in Milchsäure eine Abmilderung der Säure und weichere, weniger scharfe Struktur erzielt.

Hefekontakt (mit potenzieller Batonnage) ist ebenfalls beliebt: Während der Autolyse lösen sich feinste Hefepartikel im Wein und bewirken eine rundere, vollere Struktur inklusive einer komplexeren Aromatik.

Letzteres Ziel verfolgt auch der beim Chardonnay extrem populäre Holzfass-Einsatz, der während der Gärung und/oder Reifung erfolgen kann – oftmals mit kontrollierter Sauerstoffzufuhr (oxidativer Ausbau). Das Ergebnis: Eine weiche, mächtige Struktur mit Butter und Vanille, die viele Weintrinker als “typisch Chardonnay” einordnen.

Chardonnay: Wichtigste Anbaugebiete und ihre Weinstile

Die hohe Beliebtheit des Chardonnay unter allen Rebsorten der Welt liegt daran, dass er in nahezu allen Weinbau betreibenden Ländern vorkommt und diverse Stile hervorbringt.

Burgund: Chablis oder Côte-d’Or?

In seiner Heimat, der wohl prestigeträchtigsten Weinregion der Welt, ist Chardonnay die unangefochtene Nummer eins der Weißweinsorten. Zwei Arten des Chardonnay werden im Burgund differenziert:

Im nördlichen Chablis, geographisch getrennt vom restlichen Burgund, besitzt die Rebsorte einen Rebflächen-Anteil von 100 Prozent und wird zum typisch erfrischenden Chardonnay aus dem Stahltank verarbeitet. So zeichnen sich die Qualitätsstufen (aufsteigend) Petit Chablis, Chablis und Chablis Premier Cru meist durch eine markante Apfelsäure aus, wobei die “Cool Climate” Charakteristiken durch kalkhaltige Mergelböden verstärkt werden.

Lediglich an der Spitze der Qualitätspyramide, beim Chablis Grand Cru, kommen vermehrt Holzfass und malolaktische Gärung für einen mächtigeren Charakter zum Einsatz.

An der Côte de Beaune, dem spirituellen Weißweinzentrum des Burgunds, repräsentiert dieser von Holz und Hefe geprägte Stil den Maßstab. Dass dort auf einigen der wertvollsten Weinflächen der Welt, unter ihnen Montrachet, Criots-Bâtard-Montrachet, Chevalier-Montrachet, Pommard und Meurseult, ausgerechnet Chardonnay angebaut wird, erklärt sich durch seine meisterliche Fähigkeit, selbst kleinste Boden- und Mikroklima-Unterschiede ins Glas zu bringen.

Der Weinstil kann als cremig und breit beschrieben werden. Aufstrebende Winzer aus der ganzen Welt, die ihr Glück mit Chardonnay versuchen, betrachten die großen Burgunder als heiligen Gral.

Champagne: Schaum und Prestige

Der berühmteste Schaumwein der Welt besteht zum großen Teil aus Chardonnay: Rund 30 Prozent Flächenanteil besitzt er im nördlichsten französischen Weingebiet und fließt zusammen mit den Rotweinsorten Pinot Noir und Pinot Meunier (Schwarzriesling) in die traditionelle Cuvée des prickelnden Prestigegetränks ein. Als Blanc de blancs Champagner werden Varianten bezeichnet, die zu 100 Prozent aus Chardonnay bestehen. Sie zeichnen sich typischerweise durch eine knackige Frische und strahlige Feinheit aus.

Kalifornien: Napa-Power im Premiumsegment

Nach Frankreich besitzen die USA, speziell Kalifornien, die weltweit größten Chardonnay-Flächen. Insbesondere das Napa Valley repräsentiert die vollmundige Ausprägung der Rebsorte: Butter, Birne und nicht selten 14 Volumenprozent Alkohol kreieren den Archetyp eines massiven Weißweins. Eine spannende Würze und tropische Früchte sind ebenso charakteristisch. Die besten Produzenten, unter ihnen Mondavi, Ridge, Newton und Kongsgaard, eifern dem burgundischen Stil von der Côte de Beaune nicht nur nach, sondern übertreffen ihn teilweise auch qualitativ.

Vor allem das berühmte “Judgement of Paris” im Jahr 1976, bei dem ein 1973er Chateau Montelena alle burgundischen Grand Crus in die Schranken wies, hat gezeigt: Die Amerikaner können Chardonnay. Noch heute berichten Artikel in bekannten Weinmagazinen regelmäßig, dass führende Experten oftmals keine Unterschiede zwischen den besten Napa-Chardonnays und ihren burgundischen Pendants feststellen können.

Australien: Von Wucht zu Eleganz

Mit dem Aufstieg Kaliforniens zum Wein-Mekka in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rückte auch “Down Under” zunehmend in den Fokus der globalen Weinszene. Das heiße Klima Australiens eignete sich traditionell perfekt zur Herstellung des schweren, massiv-fruchtigen Chardonnays. Doch der Trend wandelt sich: Heute gewinnt der Kontinent ein zunehmendes Renommee für schlankeren, säurebetonteren Chardonnay im Stil der Côte de Beaune. Allen voran kühlere Gebiete wie Adelaide Hills, Yarra Valley und die südlichen Weinberge Western Australias sind hier führend.

Deutschland: Aufsteiger mit Potenzial

Deutscher Chardonnay ist flächenmäßig zwar noch eine Randerscheinung, gewinnt infolge des Klimawandels aber an Bedeutung. Insbesondere das warme Baden mit Top-Erzeugern wie Friedrich Becker und die sonnige Pfalz mit führenden Winzern wie Rebholz, aber auch Fürst in Franken und renommierte Winzer aus allen übrigen Gebieten bringen die gesamte Spannweite der Chardonnay-Stile zum Ausdruck. Im besten Fall bekommen Sie Burgunder-Qualität weit unterhalb des Burgunder-Preises – eine clevere Idee, um hochwertigen Chardonnay kennenzulernen.

Ratgeber: Wie Sie Chardonnay am besten erkunden

Stichwort kennenlernen: Chardonnay gehört zu den vielfältigsten Sorten der Welt. Das wirft die Frage auf: Wie sollten Sie die Weine als neuer Weininteressierter oder schon etwas erfahrener Genießer erschließen? Wir geben Antworten.

Von Stahl bis Holzfass: Einstieg in die Rebsorte

Die zwei wichtigsten Learnings für Weinkenner sollten Sie bereits in Ihrer ersten Chardonnay-Probe abdecken: Vergleichen Sie erstens einen im Stahltank ausgebauten, spritzigen und säurebetonten Chardonnay mit der breiteren, cremig-buttrigen Stilistik aus dem Holzfass.

Perfekt ist der Vergleich zwischen Chablis (die reguläre Klassifikation “Chablis” genügt) und einem Ortwein der Côte de Beaune, beispielsweise aus dem ikonischen Dorf Meurseult. Zweitens sollten Sie den Unterschied zwischen Cool-Climate-Chardonnay, wie er beispielsweise im Rheingau wächst, und Varianten aus wärmeren Gebieten wie Australien oder Kalifornien entdecken.

Erst, sobald Ihnen diese Unterschiede klar sind und Ihre Begeisterung für den Chardonnay geweckt ist, sollten Sie tiefer einsteigen. Wie äußern sich verschiedene Bodentypen im Glas? Wo liegen die geschmacklichen Differenzen zwischen Steil- und Flachlage? Chardonnay Weißweine sind ein mächtiges Medium, um innerhalb kurzer Zeit große Weinkenntnisse zu gewinnen.

Chardonnay Winzer: Konkrete Empfehlungen

Wenige Rebsorten eröffnen ein größeres Preisspektrum als Chardonnay: Vom 3-Euro-Supermarktwein aus Italien bis zur vierstelligen Elite aus Montrachet ist die Vielfalt grenzenlos. Wer möglichst gute Qualitäten zum moderaten Preis bis etwa 30 Euro pro Flasche erkunden möchte, muss in kein fernes Land reisen: Viele deutsche Winzer haben die Kunst des Chardonnays im Laufe der letzten drei Jahrzehnte perfektioniert.

Insbesondere Bernhard Huber aus dem Malterdingen genießt für seine Chardonnays hohes Ansehen, ebenso wie seine badischen Kollegen Dr. Heger und Holger Koch. Gleiches gilt für das Rheingauer Weingut Chat Sauvage, das im Gegensatz zu seinen Nachbarn entlang des Rheins voll auf die beiden Burgundersorten Chardonnay und Pinot Noir fokussiert ist. Schäfer-Fröhlich von der Nahe, Saalwächter aus Rheinhessen und Friedrich Becker aus der Pfalz sind weitere Top-Erzeuger, die erstklassigen Chardonnay zwischen 15 und 30 Euro ins Glas bringen.

Alter und Trinkreife

Der durchschnittliche Chardonnay eignet sich nicht zur extensiven Reifung und bietet im jungen Alter bis fünf Jahren das beste Trinkerlebnis. Ausnahmen bestätigen die Regel: Hochklassige Premier Crus und Grand Crus des Burgunds (inklusive Chablis) offenbaren ihr bestes Trinkfenster oftmals zwischen 10 und 15 Jahren, ebenso wie die kalifornische Spitzenklasse. Alles darüber Hinausgehende ist eher die Ausnahme.

Chardonnay als Speisebegleiter

Chardonnay sollten Sie tendenziell mit Gerichten paaren, die feine Gewürze und subtile Noten statt dominante Aromen offenbaren. Geflügel, Fisch und Krustentiere sind beliebte Partner, Wild und kräftige Marinaden eher weniger. Helles Fleisch, etwa Schweinefilet, kann herausragend zu Chardonnay passen. Entscheiden Sie anhand der Power des Weins, welche Gerichte zu ihm passen. Je breiter, mächtiger und voller der Chardonnay, desto mehr Power darf das Pairing besitzen.

Welche Rebsorten Sie noch interessieren könnten

Wer den kräftigen Typ des Chardonnays liebt, hat eine Vorliebe für volle Weißweine entdeckt und wird mit Viognier höchstwahrscheinlich einen weiteren Volltreffer landen. Auch die anderen großen Weißweinsorten der Rhône, Marsanne und Roussanne, sind spannende Entdeckungen. Geheimtipp: Savatiano, die meistgepflanzte Rebsorte Griechenlands, erzeugt körperreiche, volle Weißweine, die oft an Chardonnay erinnern.

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